Es ist noch gar nicht lange her, da habe ich einen Tweet abgesetzt, der mich mit dem Gefühl zurückließ, dass das, was ich da geschrieben habe, unvollständig oder missverständlich sei. Und weil man in 140 Zeichen nun einmal nicht dieselbe Argumentendichte untebringen kann wie in einem Blogpost, gibt es jetzt besagten hier nachgeliefert. Mitsamt dem Stein des Anstoßes…
Ich finde ja, man darf Leute, die zwar in D eine #Reichensteuer fordern, aber das #Hilfspaket für #Zypern ablehnen, #Rassisten nennen…
— Tobias B. (@Herr_Samsa) 30. Januar 2013
Als das letzte Hilfspaket für Griechenland verabschiedet war, atmete ich innerlich auf. Nicht nur, weil man sich so entschieden hat, wie ich es für richtig halte, sondern vor allem, weil ich darauf hoffte, dass diese unsägliche Griechenland-Debatte endlich ein Ende finden würde. Wieso unsäglich? Weil sie allzu oft die ignorante, arrogante und von Ressentiments geleitete Seite der Deutschen hervorgekitzelt hat. Diese zeigte sich in Diskussionsbeiträgen wie: „Die sollen raus aus dem Euro! Der schwächste fliegt!“ oder „Sollen sie halt mal vernünftig sparen, so wie wir Deutschen“ oder „Wenn die mal was arbeiten würden anstatt nur Ouzo zu saufen…“ oder „Wieso sollen wir denen Geld geben? Was haben DIE denn jemals für UNS getan?“ oder „Da muss der deutsche Steuerzahler die Korruption in Griechenland finanzieren…“ und dergleichen noch viele mehr.
Doch es sollte anders kommen. Tatsächlich war Griechenland verhältnismäßig lange nicht mehr Gesprächsthema in den Medien und auch die erhitzten Stammtischgemüter regten sich wieder ab oder fanden einen neuen Quell der Empörung. Und dann geisterte durch die Medien, dass das ebenfalls finanziell stark angeschlagene Zypern aller Wahrscheinlichkeit nach auch EU-Hilfspakete benötigt. Voilà! Der ganze Scheiß noch mal von vorn. Dabei zeigte sich vor allem, dass viele Deutsche auch nach weit vorangeschrittener europäischer Integration immer noch nicht über ihre Grenzen hinaus denken können und ihr Verstand nur bis zur Oder (oder in welchen gefühlten Grenzen sie auch immer leben mögen) reicht.
Bemerkenswert ist, dass – traut man Meinungsumfragen zu dem Thema – eine Mehrheit der deutschen Bevölkerung eine höhere Besteuerung für „Reiche“(TM) befürwortet. Natürlich, denn man kann sich ja auf das Grundgesetz berufen: „Eigentum verpflichtet.“ Zwar ist der Deutsche in Bezug auf seinen Sozialstaat schon recht bipolar (braucht er ihn selbst, ist er nicht gut genug, braucht er ihn nicht, ist er zu stark ausgebaut), doch würde er nicht ernsthaft wagen ihn tatsächlich restlos abzuschaffen. Die meisten Deutschen wissen darum, dass sie nur als Solidargemeinschaft (über-)lebensfähig sind. Wenn jemand der Unterstützung bedarf, ist es Sache des Staates diese Unterstützung bereitzustellen. Die notwendigen Mittel dazu soll er sich gefälligst bei denen holen, die dazu auch kräftig beitragen können (die sog. „starken Schultern“). In der deutschen Gesellschaft ist das vollkommen normal. In der deutschen Gesellschaft ist das – auch im Empfinden der meisten Steuerzahhler – richtig so.
Nicht mehr richtig ist es aber, wenn der Gesellschaftsbegriff ausgeweitet wird und nicht mehr „nur“ das deutsche Volk dazugehört. Dann ist vom Solidaritätsprinzip meist nicht mehr viel übrig. Denn was hat man mit den Zyprioten schon gemein? Okay, dieselbe Währung. Aber was heißt das schon? So gesehen sind das ja auch (wie die Briten) nur Inselaffen. Wenn auch mit besserem Klima. Anders als ihr Rechtsempfinden kennt die Überheblichkeit der Bundesdeutschen manchmal keine Grenzen.
In jedem Fall erkennen die Gegner des Zypern-Hilfspakets aber nicht an, dass sie in diesem finanziellen Verhältnis (Deutschland-Zypern) die starken Schultern sind, deren von Eigentum begründete Pflicht es ist zu helfen. Entweder sind sie so blind/ignorant/voreingenommen, dass sie das nicht sehen können oder aber sie weigern sich bewusst das zu sehen. Wenn sie dann auch noch in der deutschen Gesellschaft eine Reichensteuer fordern, also eine nationale Anwendung des Solidaritätsprinzips, sich aber gegen dessen „Europäisierung“ aussprechen, würden sie dabei selbst zur Kasse gebeten werden, sind sie nicht nur von einer krassen Doppelmoral beherrscht, sondern auch noch Nationalisten.
Rassisten (wie im Tweet) sind sie deswegen aber nicht zwingend. Da bin ich wohl etwas über das Ziel hinausgeschossen (mea culpa). Aber doch vertreten sie die Meinung, dass ein Mensch, der Bürger Deutschlands ist, einen Anspruch auf Hilfe und Beistand hat, während ein Mensch, der Bürger Zyperns ist…