#Bongs Tag2: Auf dem Weg zum Fazit

Geschafft. Wieder in den Sphären meines Zuhauses, wo mich stabiles, schnelles Internet, keine überteuerte Nahrung und die Gewissheit, ohnehin über einen gültigen Fahrausweis zu verfügen, in Empfang genommen haben, kann ich Bericht und Fazit des Bundesparteitags 2012.2 in Bochum fortsetzen. Wohlan:…

Glücklicherweise schien die überwiegende Mehrheit der BPT-Teilnehmer aus dem ersten Tag gelernt zu haben. Zumindest, was grundlegende Fragen der Disziplin und das Bewusstsein ob Existenz und Bedeutung des Kostenfaktors Zeit betrifft. Dennoch hatte der Tag, abgesehen von den im vorherigen Post beschriebenen Schwächen, so seine Tiefs:

  1. PA188 – umweltpolitische Ziele (Wahlprogramm 2013) – Das Problem liegt hier nicht, wie man ja annehmen könnte, im eigentlichen Kerninhalt des Antrags. Es wäre ja schon eine ziemliche #mimimi-Aktion, jetzt hier im Nachhinein darüber rumzupiensen, wie die böse, böse Versammlung nur so böse und plöhd sein konnte, diesen schlimmen, schlimmen Antrag azunehmen und am besten noch mit Austritt zu kokettieren. Nein, das eigentliche Problem liegt einerseits darin, wie der Antrag auf die Tagesordnung (TO) gekommen ist und andererseits, was er – rein verfahrenstechnisch für den BPT – an Imperativen impliziert. PA188 wurde nur behandelt, nachdem ein Antrag zur Geschäftsordnung (GO) auf Änderung der TO gestellt wurde. Das wurde, leider, in #Bongs sehr häufig von der #mimimi-Fraktion praktiziert, wenn ihr supermegahypertolleralternativloser Antrag nicht auf der von der Versammlung  bestimmten TO gelandet ist. In diesem Fall könnte es womöglich begründet gewesen sein, da der Versammlungsleitung „vorgeworfen“ wurde, diesen Antrag übergangen zu haben. Sollte dem so gewesen sein, war der GO-Antrag auf TO-Änderung natürlich zulässig. Andernfalls siehe #mimimi. Was die verfahrenstechnischen Imperative betrifft, war es meines Erachtens eine Frechheit, dass die Annahme der Behandlung des Antrages gleichzeitig bedeutet, dass auch noch andere Anträge (per Proxy, sozusagen) behandelt werden müssen. Diese wurden der Versammlung somit untergejubelt. Darüberhinaus war der Antrag auch dermaßen komplex, dass er – vor allem, wenn in die TO-eingepfriemelt – einer ausführlicheren Diskussion bedurft hätte, als derer, die dann letzten Endes stattgefunden hat. Für mich und wohl auch für viele der Anwesenden ein Katze-im-Sack-Problem
  2. PA582 – Zeitreisen – Achja, der Zeitreisenantrag. Er hatte bereits im Vorfeld schon Wellen geschlagen, da er, als Vorzeige-Exot aus Absurdistan, selbstverständlich bekannt wie ein bunter Hund war. In der Vorbereitung und beim Studium des Antragsbuchs natürlich eine willkommene Abwechslung und ein Anlass zum Schmunzeln. Auch wenn ich das im Nachhinein anders sehe, hat es mich auf dem BPT übelst angenervt, dass dieser Antrag wieder durch GO-Antrag auf Änderung der TO („Leute,…“) eingeschoben wurde. Die Debatte darüber begann. Gleich zu Anfang wurde ein GO-Antrag auf Einholung eines Meinungsbildes darüber gestellt, ob sich die Versammlung denn bei der Abstimmung dafür entscheiden würde. Zu meinem Erschrecken fiel das Meinungsbild nicht nur eindeutig, sondern Zweidrittel-eindeutig aus. Ich hatte Angst. Würden die Piraten (ich hatte mich hier nicht getraut von „wir“ zu sprechen) wirklich so dämlich sein, die mühsam erkämpfte (die Medien sagen ja „zurückgewonnenene“) politische Glaubwürdigkeit gegen einen solchen Schmarrn im Wahlprogramm eintauschen? Ich hatte Angst. Die ganze Zeit bis zur Abstimmung habe ich versucht, mir Gedanken über mein Verhalten und weiteres Verfahren im Falle der Annahme des Antrags zu machen. Die schmerzliche Option „Austritt“ war nicht mehr ausgeschlossen. Nachdem die Redner am Saalmikrofon doch mehrheitlich dieVersammlung auf ihre Verantwortung, die mit ihrer Entscheidung über den Programmantrag einhergeht, aufmerksam gemacht hatten, fiel die eigentliche Abstimmung zwar positiv, aber unterhalb der erforderlichen Zweidrittelmehrheit aus. In seiner sozialen Funktion war der Antrag und seine Behandlung wahrscheinlich nicht nur gut, sondern zwingend notwendig. Es war wie ein reinigendes Gewitter. Danach herrschte eine viel produktivere Arbeitsatmosphäre, als zuvor. Aber von der politischen Tragweite (oder „Strahlkraft“) her, war das running with scissors
  3. Bullshit-Bingo – Nicht nur, dass viele Redner am Saalmikro ihr Argument – auch wenn es schon mehrfach genannt wurde – un-be-dingt vorbringen mussten, sie taten das auch noch unter Verwendung aller zu bedeutungsfreien Worthülsen verkommenen Begriffe. Das Skandalöse daran: immer, wenn der Wortbeitrag die Möglichkeit bot, beim Bullshit-Bingo richtig abzusahnen, konnte ich nicht mitspielen, da ich im Antragslektorat saß. #Moppelkotze

#Bongs hat für mich eine ganz entscheidende Bedeutung. Und das meine ich nicht im Sinne von „Wir haben endlich ein Wirtschaftsprogramm“. Ich bin der letzte, der sich über Programm-Erweiterungen beschwert. Aber der Bundesparteitag 2012.2 in Bochum hat mir doch mehr als deutlich gezeigt, dass es so nicht weitergehen kann. Denn auch, wenn #Ruhrbings neue Rekorde aufgestellt hat, was die Maximalanzahl der akkreditierten Parteimitglieder betrifft, so ist es doch nicht von der Hand zu weisen, dass wir dort auch keine „echte“ Basis-Demokratie praktiziert haben. An anderer Stelle wurden die Teilnehmer des BPT auch schon als „Geld- und Zeitelite“ bezeichnet. Und das ist leider wahr: es konnte nur in Bochum anwesend sein, wer die notwendige Zeit aufbringen konnte und über die notwendigen monetären Mittel verfügte, Anreise und Aufenthalt zu finanzieren. Was die Inklusion in den parteiinternen politischen Willensbildungsprozess betrifft, ist deutlich mehr zu holen. Seit Bochum bin ich Befürworter der ständigen Mitgliederversammlung (#SMV).

Eine Zwischenlösung wäre der dezentrale Parteitag, also das gleichzeitige Abhalten mehrerer Versammlungen an unterschiedlichen Orten. Allerdings wäre das meines Erachtens mit wesentlich mehr Kosten verbunden, als die SMV und würde das Problem der Geld-/Zeit-Elitokratie nicht beheben, sondern nur entschärfen. Die SMV würde dagegen die meisten der von mir bereits angeprangerten Probleme lösen. Die größte Schwierigkeit ist aber nicht die (technische) Umsetzung der SMV, sondern die parteiinterne Akzeptanz. Es gibt derzeit viele parallel laufende Abstimmungs- und Meinungsbildungstools auf allen Ebenen, von denen die meisten aus den unterschiedlichsten Gründen das Selbstbild haben, die einzig wahre Lösung zu sein. De facto ist also eine starke Fragmentierung in der Benutzung verschiedener Partizipationstools zu verzeichnen. Hier wäre es wichtig, um überhaupt jemals etwas wie die SMV umsetzen zu können, sich auf eines davon als „Parteistandard“ zu einigen, auch wenn es verdammt noch mal nicht perfekt ist. Sobald dieses eine, für die programmatische Arbeit verbindliche Tool identifiziert ist, kann auch gebündelt und zielgerichtet an seiner Verbesserung gearbeitet werden, anstatt Grabenkämpfe darüber auszutragen, warum jetzt welches das einzig richtige ist.

Aus diesem Grund werde ich mich in Zukunft verstärkt dafür einsetzen, aus den genannten Gründen für die Akzeptanz dieses Vorgehens zu werben. Als Tool der Wahl schlage ich, einfach wegen seiner Bekanntheit und Verbreitung, LiquidFeedback (LQFB) vor. Und wenn es sein muss, baue ich sogar einen entsprechenden Antrag für #Bingsmarkt zusammen…

 

Autor: Herr_Samsa

Eingeschlafen - geträumt - aufgewacht - Käfer.