Bildung statt BILD. Aber wie?

Sie ist wirklich überall. In Bussen, Straßenbahnen, Supermärkten, Kiosken, Fabriken, Büros, Parks, Wohnzimmern, aller Munde und – leider – auch vielen Köpfen. Die BILD „Zeitung“ für ihre markbeherrschende Stellung und die damit einhergehende Monopolisierungsgefahr der öffentlichen Meinung, sowie die Qualität des in ihr betriebenen Journalismus zu kritisieren, gehört ja fast schon zum „guten“ Ton (leider wird dieser Ton auch erst durch die Abgrenzung nach unten scheinbar „gut“, aber das ist ein völlig anderes Thema).

Fakt ist jedoch, dass es die BILD in Deutschland gibt. Und auch, wenn kaum jemand offen dazu steht: sie wird dort auch gelesen. Millionenfach. Auflagenstärkstes täglich erscheinendes Printmedium Europas wird man nicht von den paar Verkäufen, die sich damit rechtfertigen lassen, dass die Leserschaft die zur Schau gestellte Realsatire zu schätzen weiß. Fakt ist ebenfalls, dass die BILD einen erheblichen Einfluss auf die öffentliche Meinung hat. Fakt ist auch, dass Informations- und Meinungsmonopole jeden Diskurs – nicht nur den politischen – im Keim ersticken.

Es gibt selbstverständlich auch „Qualtiätsjournalismus“ in Deutschland. Also Printmedien, die dazu beitragen, die Diskursfähigkeiten und den Informationsstand der Leser zu erhöhen, indem sie Betrachtungsgegenstände aus mehr als nur einer (der naheliegendsten) Perspektive zu beleuchten. Das Problem: gemessen an der BILD (und vergleichbaren Erzeugnissen) werden sie kaum gelesen. Wenn man die Machtverhältnisse umkehren möchte, muss man vor allem Vermutungen darüber anstellen, warum die BILD es schafft, so hohe Auflagen abzusetzen. Das habe ich getan und bin zu vier wesentlichen Punkten gekommen, die ich hier kurz erläutern möchte:

1. Die Verwendung einfacher Sprache
So verschieden wie die Menschen selbst sind auch ihre jeweiligen Sprachkompetenzen. Das haben mittlerweile auch immer mehr Akteure der Öffentlichkeit begriffen – vor allem diejenigen, die auf Marketing angewiesen sind. Es ist möglich, Informationen nahezu verlustfrei in der so genannten „einfachen Sprache“ zu vermitteln. Diese umfasst eine einfacherere Satzstruktur und verzichtet weitestgehend auf fachspezifisches Vokabular, das, um es zu verstehen, einen besonderen Bildungsstand voraussetzt. Die Qualitätspresse hierzulande schafft leider (und hoffentlich unbewusst) Barrieren, die den Konsum ihrer Erzeugnisse für manche Leserkreise erschweren. Da die BILD von ihrer Sprachstruktur her so einfach ist, dass jeder sie verstehen kann, wäre die Verwendung von einfacher Sprache ein Ansatzpunkt, um ein qualitativ hochwertiges und vor allem höherwertiges Konkurrenzerzeugnis zu vermarkten.

2. Seniorengerechte Aufmachung
Ich habe mich immer gefragt, wieso nach meinem Verständnis die BILD-Überschriften so gewaltig sind. Und zu meiner Schande, hat mir lange auch die von mir bereits wahrgenommene Korrelation von Alter des Lesers und Wahl der Tages“zeitung“ nicht dazu beigetragen, dieses Rätsel zu lösen. Aber selbstverständlich: je größer die Überschrift, desto einfacher ist sie (vor dem Hintergrund der Sehkraft betrachtet) zu lesen. Let’s face it: die Zeit der Tageszeitungen ist vorbei. Zumindest als papiergebundenes Medium. Die meisten von denen, die heute noch Tageszeitungsabonnenten sind, waren das auch schon zu Zeiten, als es noch kein Internet gab und Videotext als Hightech galt. Ich wage zu behaupten, dass sich der Großteil der Menschen unter 40 dieses Landes überwiegend bis ausschließlich mittels der so genannten „neuen Medien“ informiert. Somit ist die durchschnittliche Leserschaft der Tageszeitung nicht mehr die jüngste. Und dass häufig mit zunehmendem Alter auch die Sehkraft nachlässt, ist auch kein Geheimnis. Wäre es denn nicht denkbar, solche Überlegungen auch in Bezug auf Qualitätspresse anzustellen?

3. Der Preis
Achja, das liebe Geld. Leider ist das nach meiner Einschätzung nach auch das größte Problem, wenn es darum geht, eine anständige Alternative zur BILD zu schaffen. Denn mein betriebswirtschaftliches Grundwissen sagt mir, dass es ziemlich schwierig wird, auf Dauer einen Verkaufspreis zu halten, der auch nur annähernd mit dem der BILD konkurrieren kann, ohne in deren Auflagen zu produzieren. Nichtsdestotrotz ist der niedrige Verkaufspreis der BILD wohl auch einer der Gründe – wenn nicht sogar DER Grund – weshalb dieses Blatt eine derart weite Verbreitung gefunden hat. Wenn man der BILD nicht abgeneigt ist, eine Zeitung möchte, an die man kaum Ansprüche hat, dann kommt das am einfachsten verfügbare und günstigste Erzeugnis seiner Warengruppe natürlich in den Einkaufswagen. Vor allem wenn das nächstgünstigste schon >200% des BILD-Preises kostet.

4. Exzessives Marketing
Wer viel absetzt und richtig wirtschaftet, hat natürlich auch viel Gewinn. Wer viel Gewinn hat und sich fragt, wie er noch mehr Gewinn bekommen könnte, überlegt sich, wie er das anstellen könnte. Es dauert nicht lange und er stößt auf das Instrument der Werbung. Oder „Marketing“, wie es etwas griffiger und pseudowissenschaftlicher genannt wird. Die BILD ist nicht nur schweinebillig, überall erhältlich, sondern leider auch noch bekannt. Sehr bekannt. Sie kann mit namhaften Gesichtern in unzähligen Formaten werben, hat für so ziemlich denkbare jede Nische des menschlichen Interessenspektrums einen Ableger und hat einen Ruf. Zweifelsohne, dieser ist bei Weitem nicht der Beste, aber dennoch ist sie bekannt. Und wenn der Käufer vor der Wahl zwischen einem ihm völlig unbekannten Produkt und einem, dessen Name er zumindest mal gehört und dessen Logo er mal gesehen hat steht, für welches wird er sich dann wohl entscheiden?

Autor: Herr_Samsa

Eingeschlafen - geträumt - aufgewacht - Käfer.

Ein Gedanke zu „Bildung statt BILD. Aber wie?“

  1. Gute Zusammenfassung. Den Punkt mit der Alterssehschwäche zum Beispiel habe ich zuvor nie bedacht. Ein weiterer Punkt dürften wohl die Oben-ohne-Damen sein, die regelmäßig für die BILD die Hüllen fallen lassen. Natürlich ist dies auch zumeist der erste Punkt, den Befragte aufführen, wenn sie gefragt werden, weshalb die Zeitschrift eine so breite Leserschaft findet. Der zweite ist dann meist: „Viele Bilder, knackige Texte!“. Stimmt auch. Das hast du oben bereits aufgeführt mit der „einfachen“ Sprache. Wenn ich als Mensch, der schon als Kind Comics oder Bilderbücher reinen Texten vorgezogen habe, die Wahl habe zwischen der BILD (viiiieeeele große bunte Bilder und Sätze auf Erstklässlerniveau mit gaaanz viel Drama) und, sagen wir, der FAZ oder der TAZ, ehe, dann greife ich freilich zur BILD.
    Dann doch lieber die Kindernachrichten auf Ki.Ka. Die sind auch einfach gehalten, verständlich erklärt („Nachrichten für Dummies“ – gibt’s das schon?), schön bunt, dabei aber längst nicht so reißerisch wie das in diesem Kommentar viel zu oft erwähnte Produkt. Was wir also bräuchten, wäre eine Zeitschrift im Kinderdesign, die auch Erwachsene anlockt.
    … Das wird nix mehr. *seufz*

Kommentare sind geschlossen.