Wer „Homo-Ehe“ sagt, lehnt sie schon ab

(CC BY 2.0) Dirk Vorderstraße

Ganz recht: ich lasse mit diesem Beitrag mal wieder den Linguisten raushängen. Das tut mir auch fast ein bisschen leid. Es sei mir an dieser Stelle aber nachgesehen, denn ich finde es nun einmal nicht ganz uninteressant, den Begriff der „Homo-Ehe“ zu zerlegen und mir anzuschauen, woraus er eigentlich so alles besteht und wie er wirkt. Sprache und Politik haben nämlich doch mehr miteinander zu tun, als dass das eine nur Beiwerk des anderen wäre…

 

In der Linguistik gibt es dank eines gewissen Herrn De Saussure die Aufassung, dass ein sprachliches Zeichen aus zwei Dimensionen besteht: dem signifié und dem signifiant. Ein sprachliches Zeichen ist in unserem Falle ein Wort, nämlich „Homo-Ehe“.

Signifiant-Bestandteil von „Homo-Ehe“ ist „Homo-Ehe“, also die Buchstabenkette, die gelesen „Homo-Ehe“ ergibt. Nicht mehr und nicht weniger. Der Einfachheit halber, kann man statt Signifiant auch vom „Bezeichner“ sprechen. Das Wort „Homo-Ehe“ erhält seine Bedeutung aber erst, wenn man die zweite Dimension, den signié (also das Bezeichnete), einbezieht. Und dieser ist durchaus Problematisch. Denn des Pudels Kern ist: Was meint man, wenn man Homo-Ehe sagt?

Zerlegen wir das ganze mal. Wenn „wir“, also die wohlgenährten, bleichgesichtigen Mitteleuropäer, von „Ehe“ sprechen, dann meinen wir damit in aller Regel eine bestimmte Form der Lebenspartnerschaft zwischen Mann und Frau. Der Begriff der Ehe, den wir haben, stammt aus dem christlichen Glauben. Dort wird das Wort Ehe nur auf eine ausschließliche (also monogame) Lebenspartnerschaft zwischen Mann und Frau angewendet, die „vor Gott“, also durch kirchliche Trauung geschlossen wird. Urpsprünglich war die Jungfräulichkeit bis zur Ehe auch noch ein Kriterium, das zu erfüllen war, wenn man in den erlesenen Kreis der beehten (ich glaube, das muss man aussprechen, um zu verstehen, was ich damit meine) gehören wollte. Aber das lasse ich hier einfach mal außer Acht. In unserer heutigen Zeit stimmt das alles nicht mehr so ganz. Dank diverser Säkularisierungsprozessen kann man eine Ehe nun auch außerhalb der christlichen Glaubensgemeinschaft eingehen, indem man sie nämlich nicht mehr vor Gott, sondern vor seinem Stellvertreter auf Erden, dem Staat, begründet. Somit wurde der Ehe-Begriff auch auf Nicht-Christen ausgeweitet. Aber ein signifikanter Bestandteil der ursprünglichen Bedeutung ist dennoch erhalten geblieben: Eine Ehe ist nur dann eine Ehe, wenn sie eine durch eine Instanz (Gott, Staat) validierte Lebenspartnerschafft zwischen Mann und Frau beschreibt.

Nachdem die Gruppe der Nicht-Christen infolge besagter Säkularisierungsprozessen den Zugang zur Ehe erhalten hat, gab es noch eine weitere Gruppe von Menschen, die gerne den Zugang zu ihr hätte, der ihr aber von der Politik versperrt bleibt: die Gruppe der Nicht-Heterosexuellen. Unser (politisches und gesellschaftliches) Gemeinwesen ist in den letzten Jahrzehnten um einiges toleranter geworden. Wessen Verdienst das nun ist sei einmal dahingestellt. Wer offen in einer nicht-heterosexuellen und/oder nicht-monogamen Beziehung lebt, muss nun nicht mehr um sein Leben fürchten (zumindest wird er nicht existenziell durch den Staat(!) bedroht). Das schlimmste, was ihm/ihr zustoßen kann, sind verbale/physische Gewalt von Einzelnen. Diese Entwicklungen haben dazu geführt, dass immer öfter die Forderung nach der so genannten „Homo-Ehe“ laut wird. Warum denn auch nicht? Es spricht ja eigentlich nichts dagegen…

Eigentlich. In Wirklichkeit sträuben sich aber Staat und Christen dagegen. Der erstere fürchtet um seinen Staatsbürgernachschub, da nicht-heterosexuelle Paare in Bezug auf ihre eigene, beziehungsinterne Fortpflanzungsfähigkeit biologisch benachteiligt sind, während die letzteren befürchten, dass ihre Ehe weiter entwertet wird, nachdem sie schon auf staatlicher Seite den Nicht-Christen den Zugang zu ihr haben gewähren müssen. Vor diesem Hintergrund erscheint die Forderung einer „Homo-Ehe“ besonders widersinnig, vor allem wenn man sich ins Gedächtnis ruft, dass es dabei ja um eine Gleichstellung geht. Und diese wird hier auf sprachlicher Ebene verhindert. Denn dadurch, dass man nicht einfach den Ehe-Begriff auf die Gruppe der Nicht-Heterosexuellen ausweitet, sondern ihr noch ein Wort voranstellt, schafft man keine Gleichheit. Man schafft ein Ehe-Derivat, das für eine bestimmte Gruppe gemacht ist, nämlich die der „Homos“. Ich finde es ja schon schlimm genug, dass man hier versucht über das sprachliche Hintertürchen den status quo zu zementieren, aber dass man dann dafür auch noch das leider immer noch als Schimpfwort gebrauchte „Homo“ heranzieht, ist mehr als nur ein Schönheitsfehler.

Die volle Implikation des Begriffs der „Homo-Ehe“ lässt sich also wie folgt beschreiben:

  • Staatliche Anerkennung der Partnerschaft
  • Abgrenzung zur Ehe zwischen Christen
  • Abgrenzung zur Ehe zwischen Mann und Frau

Auf diese Weise entsteht eine mehrfache Stigmatisierung. Einerseits schafft man dadurch die Stigmatisierung zwischen „normal“ und „unnormal“. Wenn man unter Ehe die staatlich anerkannte Lebenspartnerschaft zwischen Mann und Frau versteht und für die staatlich anerkannte Lebenspartnerschaft zwischen beispielsweise zwei Männern ein anderes Wort vor „Ehe“ stellt, spezialisiert man den Ehebegriff. „Ehe“ gilt somit als Normalfall, da er keiner weiteren Spezifikation bedarf. „Homo-Ehe“ hingegen macht deutlich, dass es sich eben nicht um eine Situation handelt, die die sonst üblichen Kriterien erfüllt, also „unnormal“ ist.

Andererseits wirkt der Begriff auch noch in sexueller Hinsicht stigmatisierend. Denn er beschreibt unmissverständlich und explizit die sexuelle Präferenz derer, die eine „Homo-Ehe“ eingehen. Ich finde, dass es furchtbar diskriminierend ist, wenn der Staat seine Leute nach sexueller Präferenz sortiert und in unterschiedliche Kisten steckt. Es ergibt sich also der Sonderfall, dass nicht nur die Nicht-Ehe als unnormal gelabelt wird, sondern die Umstände, die zur Klassifizierung der Nicht-Ehe geführt haben als nicht minder unnormal angesehen werden.

Fazit: „Homo-Ehe“ ist ein Kampfbegriff. Und zwar ein Kampfbegriff derer, die ihre eigentliche Intention – nämlich die Gleichstellung und Gleichbehandlung nicht-heterosexueller Paare – ablehnen. Wer „Homo-Ehe“ sagt, lehnt sie also schon ab.

Autor: Herr_Samsa

Eingeschlafen - geträumt - aufgewacht - Käfer.